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Wie entsteht ein guter Podcast?

Interview mit Ben Fawkes von den Munck Studios Berlin

© Munck Studios

Da wir euch aufgrund der Corona-Situation nicht in echt besuchen kommen können, beschreib‘ doch mal eure Firma: Wie sieht das Munck Studio Berlin aus?

Die Munck Studios in Berlin gibt es erst seit Juli 2019, ich bin der Geschäftsführer und allein für alle Projekte verantwortlich. Also sieht es ein bisschen anders aus als in unseren typischen Büros. Jakob Munck hat die Munck Studios 2007 in Stockholm gegründet – er ist Musiker und sein erstes Projekt war ein Kinderpodcast mit seinen eigenen Liedern. Mittlerweile haben wir auch Büros in Göteborg, Kopenhagen, Oslo, Trondheim und Amsterdam. Hier in Kreuzberg teile ich mir ein Büro mit zwei Fotostudios – für die Produktion unserer Projekte miete ich dann ein Tonstudio. Langfristig wollen wir ein Büro mit eigenen Studios aufbauen, mit einem Team und allem, was man für eine Produktionsfirma braucht. In Stockholm zum Beispiel haben wir fast 50 MitarbeiterInnen, ein großes Studio für „Laber-Podcasts“ mit einem Tisch und verschiedenen Mikrofonen, und dann wir haben noch vier kleine Studios. Mein Ziel ist es jetzt, die deutschen und englischen Märkte zu erschließen und hier in Berlin auch so ein großes Studio aufzubauen.

Wie bist du zu den Munck Studios gekommen?

Ich habe erst bei Soundcloud gearbeitet, da habe ich Geschäftsbeziehungen zu Radios und Hörbuch-Verlagen aufgebaut. Danach war ich für drei Jahre Podcast Manager für Original Inhalt bei Deezer Deutschland. Dort habe ich verschiedene Podcast-Produktionen geleitet, z.B. mit Sarah Kuttner oder „Das Böse“ über echte Kriminalfälle in Deutschland. Seit Juli 2019 bin ich bei Munck, also kam ich von der Business-Entwicklung über Podcast-Produktionen zu diesem Job als Geschäftsführer eines Produktionsstudios.

Was genau produziert ihr in den Munck-Studios und für wen?

Normalerweise produzieren wir Inhalte für das öffentlich-rechtliche Radio in Skandinavien. Unser beliebtester Podcast ist „P3 Historia“ für Sveriges Radio. Das ist ein historischer Podcast, jede Folge erkundet das Leben einer historischen Figur mit drei verschiedenen Erzähltechniken. Ein Haupterzähler, ein dramatischer Erzähler und ein Experte präsentieren mit Sound Design und Musik z.B. das Leben von Al Capone oder Napoleon. Der Podcast hat 200.000 Downloads pro Folge. Wir produzieren auch Hörspiele, besonders für das dänische Radio, und Live-Radio-Sendungen, z.B. eine zweistündige politische Nachrichtensendung für das norwegische Radio. Und dann gibt es noch diese neue Welt von Kunden, z.B. Spotify oder Audible oder Firmen, für die wir dann zum Beispiel einen Kochpodcast mit ihren Produkten produzieren. Das nennt sich dann „Branded Content“.

Was sind eure aktuellen Projekte in Berlin?

Für Podimo, das neue „Netflix für Audio“ aus Dänemark, machen wir drei Produktionen: den Dating-Podcast Blind Dates, einen Podcast über die Erfahrungen von Ausländern in Deutschland, „La Deutsche Vita“, und den Podcast „Ich habe überlebt“. Jede Folge erzählt die wahre Geschichte von jemanden, der etwas überlebt hat, z.B. das Stasigefängnis oder den Tsunami in Thailand. Und außerdem haben wir gerade ein Hörspiel für Deezer produziert, „Der Ausnahmezustand“. Das war im Original ein dänisches Hörspiel, das wir übersetzt haben und mit einem deutschen Cast und deutscher Regie in einem Berliner Studio aufgenommen haben. Und dann haben wir noch viele weitere Projekte, aber darüber kann ich noch nichts verraten!

Wie kommen eure Podcast-Produktionen zustande?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir präsentieren selbst eine Idee. Das Besondere bei Munck ist, dass wir viele Inhalte aus Skandinavien haben, die wir übersetzen können und wir haben ein großes Netzwerk mit Regisseuren, Produzenten, Moderatoren und Schriftstellern. Dadurch haben wir über 50 Konzepte, die wir präsentieren können und manchmal kaufen Leute diese Ideen. Oder wir fragen die Kunden, was sie wollen. Dann sagen sie zum Beispiel, dass sie einen Wissenschaftspodcast oder einen Podcast für Philosophie wollen. Und dann fragen wir: In welchem Stil sollen wir das machen? Mehr ein Gesprächspodcast oder ein Laber-Podcast? Was für ein Sound Design? Nur eine Stimme – oder zwei? Und dann entwickeln wir gemeinsam ein Konzept.

Gibt es Unterschiede in der Podcast-Kultur in den verschiedenen Ländern? Was ist das Besondere an Berlin?

In Schweden und Skandinavien werden zwischen 60 und 70 Prozent der Radioproduktionen von externen Produktionsfirmen produziert. Im Vergleich dazu sind im öffentlich-rechtlichen Radio in Deutschland fast alle Produktionen vom Sender selbst produziert. Unsere Herausforderung ist es, das öffentlich-rechtliche Radio hier davon zu überzeugen, in externe Ideen zu investieren. Der Blick nach Skandinavien zeigt, wie viele frische Ideen man außerhalb einer Bürokratie entwickeln kann. Außerdem gibt es in Deutschland viele Audioplattformen wie Audible, Podimo, Spotify und Blinkist. Das kennzeichnet für mich momentan den großen deutschen Markt: die Mischung aus öffentlich-rechtlichem Radio und der neuen Welt der Audioplattformen.

Welche Rolle spielen Podcasts in der deutschen Verlagswelt?

Die (Hör-)Verlage in Deutschland denken auf jeden Fall über Podcasting nach. Es ist noch nicht wirklich klar, wie das genutzt werden kann – und wie damit auch Einnahmen erzielt werden können. Wir sind dazu mit vielen Verlagen im Gespräch. Meiner Meinung nach gibt es zwei Möglichkeiten: man kann Podcasting im Audio- und Verlagsbereich als Werbemittel einsetzen oder man kann ein Hörbuch zum Podcast ausbauen. Das wäre dann eine Mischung aus einem Hörbuch und einem Hörspiel, also ein Erzähler plus Soundscapes und Musik. Das wird in typischen Hörbüchern noch nicht oft genutzt. Aber ich denke, das ist der nächste Schritt für Hörbücher.

Die Fragen stellte Pauline Pieper. Pauline ist seit 2020 bei NaNe und arbeitet gerade beim Kulturverlag Kadmos.